Die größeren Teilbereiche der Digitalisierung – Regionen - kann man auf viele verschiedene Arten bilden. Um es eingängig zu gestalten, soll die Einteilung nicht nach Technologie erfolgen, sondern nach Unternehmensfunktion. Viele der Technologien und auch Verfahren werden in vollkommen unterschiedlichen Unternehmensfunktionen eingesetzt, weshalb sie für die Orientierung nicht nützlich sind. Da eine möglichst einheitliche Granularität benötigt wird und diese nicht zu feingliedrig werden sollte, aggregieren wir bestimmte Funktionen zu übergeordneten Elementen.
Der Kunde sollte im Mittelpunkt stehen und auch der Ausgangspunkt der unternehmerischen Überlegung sein. Dies gilt für alles Digitale noch stärker, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Der Begriff zeigt schon sehr deutlich in eine Richtung, indem er die Interaktion, also jede Wechselbeziehung zwischen Kunde und Unternehmen oder Unternehmensvertreter adressiert. In klassischen Begriffen ist dies die Domäne des Marketing, Vertrieb und Service, die als marktgerichtete Unternehmensfunktionen die Berührungspunkte (Touchpoints) mit dem Kunden über seinen gesamten Lebenszyklus (Customer Lifecycle, Customer Journey) haben. Die Entwicklung des Internet hat insbesondere diese Bereiche beginnend mit dem Vertrieb in Form des E-Commerce oder Online-Handels als erste Unternehmensfunktion ergriffen.
Durch die Digitalisierung des Marketing sind solche Giganten wie Google und Facebook entstanden, die ihr Geld zum Großteil damit verdienen, dass sie die durch den Nutzen generierte Reichweite monetarisieren, indem sie diese Werbetreibenden verkaufen. Suchmaschinen- oder Social Media Marketing ist heute ein großer Bestandteil nahezu jedes Marketing-Mixes. Es gibt jedoch noch viel mehr Möglichkeiten, digitales Marketing zu betreiben, als AdWords zu schalten. Insbesondere Marketing Automation als Disziplin und auch Bezeichnung für eine Softwaregattung ist hier hervorzuheben. Letztlich geht es darum, in immer kleineren und gezielteren Mikrosegmenten die Interessenten und Kunden mit relevanten Themen zum optimalen Zeitpunkt zu erreichen. Das Endziel ist das sogenannte Segment of One, also der Zustand im Marketing, dass jede Person ein eigenes Segment darstellt.
Services spielen in nahezu jeder Phase der Customer Journey - also dem Weg des Kunden vom Interessenten zum Käufer und Nutzer - eine Rolle. Viele Services lassen sich heute in bestmöglicher Form komplett digital abbilden. Hier kommt auch einer weiteren Entwicklung, die durch Digitalisierung und Vernetzung getrieben wurde und wird, eine große Bedeutung zu. Menschen mögen es, Dienste im Self-Service in Anspruch zu nehmen. Von der Recherche bis hin zu Zusatzfunktionen oder transaktionsbezogenen Diensten, wie der Beauskunftung zu bestehenden Aufträgen und dem Download von Dokumenten oder der Initiierung einer Retoure wird es heute als angenehm empfunden, wenn es mit ein paar Mausklicks oder Touches auf dem Smartphone on the go funktioniert.
Der Kunde lebt schon digital und möchte auch digital mit seinen Anbietern und Marken interagieren. Am Besten genauso, wie er es im Alltag mit anderen Kommunikationspartner auch tut. Wir schreiben täglich zahlreiche Nachrichten per Messenger - WhatsApp mit großem Vorsprung auf Platz 1 - an Familie, Freunde und auch Geschäftspartner. In China hat sich der Messenger WeChat zum universellen Werkzeug zur Bewältigung des Alltags entwickelt. Alles, was sich digital abbilden lässt, ist in WeChat integriert. Kommunizieren, Shoppen, Bankgeschäfte, Social Media, Bezahlen, Mobilität, einfach alles. Umso erstaunlicher ist die teilweise hartnäckige Weigerung des einen oder anderen Unternehmens, sich dieser neuen Realität zu stellen. Wenn der Kunde nicht bargeldlos zahlen kann oder mit einem Unternehmen so kommunizieren kann, wie er es aus dem Alltag gewohnt ist, liegt das selten an der Verfügbarkeit der technischen Möglichkeiten oder der Kosten, sondern in der Regel am Mangel an Willen.
Die Kundeninteraktion umfasst alles, was der Kunde direkt im Umgang mit dem Anbieter erlebt. Soweit die Touchpoints nicht vollständig digital sind, sind sie heute meistens digital unterstützt und sollten mit den digitalen Touchpoints verzahnt sein. Dies gilt auch für alle Prozesse innerhalb der Kundeninteraktion, da der Kunde nicht unterscheidet zwischen den unterschiedlichen Bereichen, die ein Unternehmen hat.
Geschäftsmodell-Innovationen haben unsere Wirtschaft schon immer stark verändert. Discounthandel oder Fast Food, Triebwerke nach Nutzung bezahlen - Power by the hour von Rolls Royce oder Built-To-Order PCs von Dell - es gab immer schon Beispiele für neue Geschäftsmodelle, die die althergebrachte Branchenlogik aufgewirbelt haben und damit außerordentlich erfolgreich waren. Digitalisierung und Vernetzung haben das Spektrum an Möglichkeiten für Geschäftsmodell-Innovationen stark erweitert und die Marktbedingungen verändert. Wenn früher das beste Produkt das wichtigste war, ist es heute das beste Geschäftsmodell. Insofern ist es eine sehr wichtige Aufgabe jedes Unternehmens, als Bestandteil der Digitalisierung sein Geschäftsmodell zu überprüfen. In zweierlei Hinsicht kann dies von Bedeutung sein: Im Sinne der Nutzung von Chancen durch Geschäftsmodell-Innovation auf Basis der Digitalisierung oder im Sinne der Gefahrenabwehr durch Wettbewerber, die mit Geschäftsmodell-Innovationen die Spielregeln verändern.
Viele der bekannten großen Beispiele von Digitalunternehmen fußen auf der Eroberung und Besetzung der Kundenschnittstelle über bequem nutzbare Anwendungen als Webanwendung oder Smartphone App oder beidem.
UBER ist hier nur ein Beispiel, das aber sehr plakativ klar macht, worum es geht. Das Unternehmen hat kein einziges Fahrzeug und keinen angestellten Fahrer, ist aber einer der größten Mobilitätsdienstleister. Das funktioniert, weil UBER die Kundenbedürfnisse optimal bedient und sich dadurch zwischen den Kunden und die Anbieter (Taxi) in dem Markt zwängt.
Wenn das funktioniert und man die Kundenschnittstelle dominiert, dann ist ein sukzessiver Ausbau auf weitere Dienste möglich. Dies ist sehr gut zu beobachten bei Amazon, das es geschafft hat, von einer einzelnen Kategorie zum allumfassenden und dominierenden Anbieter im Handel zu werden. Es ist extrem bequem für die Nutzer und nahezu risikofrei. Diese Erfahrung setzt sich fest und es wird völlig normal solche Dienste zu nutzen, bis hin zu dem Zustand, dass der Nutzer es nicht mehr bewusst macht. Möglich wurde das durch Digitalisierung und Vernetzung.
Der moderne Arbeitsplatz wird dominiert durch digitale Technologien und Vernetzung. Erzeugung, Verteilung und Kommunikation von Informationen, Geschäftsdokumenten und Arbeitsergebnissen sind weitestgehend durchdigitalisiert. In der Praxis zeigt sich jedoch auch, dass es noch reichlich Friktionen und falschen Umgang mit Tools und Systemen gibt, die einer nahtlosen Nutzung im Wege stehen. Hier entstehen häufig die Phänomene, die es auch vor der Digitalisierung gab und die sehr schön mit dem alten Sprichwort „Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß...“ umschrieben werden. Die Transparenz bzgl. des im Unternehmen vorhandenen Wissens und dessen Nutzbarmachung läuft nicht von alleine, weil diese Informationen digital vorliegen. Hier muss häufig auf der Konzeptebene und insbesondere auch auf der Organisationsebene eingegriffen werden.
Beispiele für solche Lösungen sind moderne Intranetlösungen, die es jedem erlauben, auf schnelle und einfache Weise Dokumente für die allgemeine Nutzung, häufig in Form von Wiki-Seiten zu erstellen. Grundsätzlich eine gute Idee, aber wenn diese dann extrem unstrukturiert gespeichert werden, ist die Effizienz eher schlecht. Um zu starke Strukturierung und Reglementierung nicht zur Nutzungshürde werden zu lassen, ist ein sensibler Umgang damit erforderlich. Im Ergebnis führt dies in den meisten Fällen dazu, dass es noch einen erheblichen Teil der Daten gibt, die nicht ohne weiteres durch eine strukturierte Navigation auffindbar sind. Hier kommen Suchmaschinen ins Spiel, die die Zugänglichkeit im Intranet genauso beschleunigen, wie es Google im Internet getan hat. Enterprise Search kann ein echter Beschleuniger sein.
Es geht jedoch auch um viele andere Lösungen, die die tägliche (Zusammen-)Arbeit erleichtern. Von Messaging-Lösungen über Video-Conferencing über Online-Zusammenarbeit an Dokumenten bis hin zu Projektmanagement und die Anbindung an kaufmännische Systeme gibt es hier viel Potential für mehr Effizienz und Geschwindigkeit.
Eine der spannendsten Regionen der Digitalisierung ist wohl das Produkt selbst. Zum einen liegt es auf der Hand, dass durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung neue Produkte entstanden sind, die dies als Voraussetzung haben. Beispiele hierfür sind natürlich insbesondere im Hard- und Softwarebereich zu finden, aber auch Google, Facebook und Co. gehören dazu. Produkte, die es vorher nicht gab und die nur durch Digitalisierung und Vernetzung möglich sind.
Letztlich gibt es aber auch immer mehr Produkte, die durch die Digitalisierung eine tiefgreifende Veränderung erfahren oder gar vollständig transformiert werden. Die prominentesten Beispiele finden sich im Bereich der Medien aufgrund der Tatsache, dass Medien schon immer einen Datenträger und einen Datentransportweg benötigt haben. Menschheitsgeschichtlich betrachtet war der Mensch selbst der erste "Datenträger", da er Erfahrungen, Geschichten und Lieder beispielsweise in seinem Gedächtnis gespeichert hat. Der Transportweg dieser Daten war das Singen und Geschichtenerzählen am Lagerfeuer oder auf der Jagd. Durch die Erfindung des geschriebenen Wortes und dann der Vervielfältigung beginnend mit dem Buchdruck fand eine Explosion des Wissens statt. Daten konnten kopiert und auf Papier transportiert werden. Das haben wir sehr lange getan, bis es möglich wurde, die Bücher und Schriften auch digital zu speichern und zu transportieren. Heute ist wohl die Mehrzahl an schriftlich erfassten Daten digital gespeichert und wird über Datenleitungen übertragen.
Noch radikaler war der Wandel in der Musik. Hier wurde die Schallplatte zunächst von der CD verdrängt und diese dann vom Streaming. Etwas ähnliches passierte im Bereich Foto und Bewegtbild. Fotofilm und -papier sind nicht mehr die Hauptdatenträger bei Fotos - die tragische Geschichte von Kodak ist bekannt. Das Unternehmen hat die Waffe, mit der es zerstört wurde, auch noch selbst erfunden, erkannte aber deren Kraft nicht. Im Bewegtbild und im Hörfunk sehen wir gerade, dass das lineare Modell immer stärker unter Druck gerät durch On Demand - Angebote, Streaming und Distributionsplattformen.
Das Muster ist klar: Da, wo das Produkt nicht notwendigerweise eine physische Ausprägung benötigt, wird diese eliminiert - Zero Gravity ist das Stichwort.
Aber auch Produkte, die jetzt und in Zukunft eine physische Ausprägung haben, sind von der Entwicklung betroffen. Hier ist die konkrete Ausprägung oft kompliziert und nicht offensichtlich. Fast alles, was irgendwie "smart" gemacht werden kann, wird mit digitalen Features und Erweiterungen versehen. Wenn auch manchmal nützlich - wie bei der intelligenten elektronischen Steuerung von Haushaltsgeräten - entstehen dabei auch immer wieder seltsam anmutende Konstruktionen, die davon zeugen, dass einfach krampfhaft versucht wird, ein Produkt digital aufzuwerten. Der Mehrwert einer App-gesteuerten Dusche ist eben nicht so deutlich wie bei anderen Smart Home - Anwendungen.
Durch die erheblichen Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen durch Automatisierungstechnik sowie die Fokussierung auf Prozesse und Produkte aus der Vergangenheit sind in den Unternehmen die Produktionsprozesse häufig schon am weitesten digitalisiert. Auf der Feld- und Leitstandebene von Produktionsanlagen wurde viel investiert und auch die Anbindung an ERP und Logistik-Systeme ist weit fortgeschritten. Der Bedarf in diesem Bereich entwickelt sich nun eher aus einer anderen Richtung: Internet of Things und Industrie 4.0. Wie können Maschinen Daten liefern und wer speichert und verarbeitet sie, so dass Nutzen entsteht? Das ist eine der großen Fragen im Umfeld der Digitalisierung der Produktion. Durch die viel stärkere Einbeziehung des Kunden entsteht ebenfalls auch an dieser Stelle neues Potential. Kunden wollen sich im Self Service über Status informieren, also muss auch die Produktion angebunden werden. Dies ist häufig ein Problem, das nicht so einfach lösbar ist, weil die Systeme in der Produktion nicht darauf vorbereitet sind und hier auch erhebliche Sicherheitsrisiken entstehen.
In der heutigen vernetzten Welt ist die Beschaffung ein zentrales Thema für Digitalisierung, weil hier Kosteneinsparungen in erheblichem Umfang möglich sind. Meistens wird zwischen A-, B- und C-Material unterschieden, wenn es um die Beschaffung geht. A-Material sind die Primärmaterialien für die Produktion mit hohem Wert bei wenigen Materialien, B-Material liegt im mittleren Bereich bei beiden Dimensionen und C-Material ist alles mit breitem Spektrum und geringem relativen Wert. Letztere werden im Amerikanischen auch MRO Supplies genannt, für Maintenance, Repair, Operation. Schaut man sich innerhalb dieser Einteilung die Digitalisierungsthemen an, stellt sich das in etwa so dar, dass für A-Material häufig EDI (Electronic Data Interchange) verwendet wird, welches eine direkte Kopplung zwischen den Kernsystemen von Lieferant und Kunde realisiert und mit hohen Implementierungskosten verbunden ist. Diese lohnen sich im schnelllebigeren Geschäft mit C-Material nicht, sodass sich hier andere Standards – allen voran OCI – etabliert haben, die eine wesentlich leichtgewichtigere Anbindung von Kundenseite erlauben. Auf Anbieterseite sind diese Lösungen trotzdem häufig aufwändig in der Implementierung und Anbindung. Dies hängt jedoch im wesentlichen mit den Spezifikationen und unterschiedlichen Versionen der Schnittstellen zusammen. Darüber hinaus wollen viele Anwender dieser Technologien Sonderwünsche implementieren, die den Aufwand in die Höhe treiben. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei diesen Procurement-Kopplungen um ein wichtiges Instrument der Digitalisierung, mit dem Prozesse verschlankt und Kosten gespart werden können.
Der gesamte Personalbereich ist durch Digitalisierung in vielfacher Hinsicht komplett verändert worden. Das Personalmarketing findet auf völlig unterschiedliche Weise statt, als noch vor 5-10 Jahren. Getrieben durch den Fachkräftemangel in allen Bereichen der Digitalisierung und durch die annähernde Vollbeschäftigung insgesamt, sind wir an einem Punkt angekommen, an dem der "war for talents" dazu geführt hat, dass sich Unternehmen bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bewerben und nicht umgekehrt.
Vielfach suchen gut ausgebildete Menschen gar nicht aktiv, sondern lassen sich bestenfalls finden. Dies geschieht über soziale Netzwerke tagtäglich, weswegen sich diese auch zum größten Marktplatz für Recruiting entwickelt haben. Mit einem halbwegs gut gepflegten Profil und den richtigen Einstellungen kommen die Anfragen – insbesondere von Personaldienstleistern –von alleine. Warum suchen?
Wenn doch jemand sucht, dann kommt es wie beim Shopping darauf an, gefunden zu werden und Resonanz mit dem Kandidaten/der Kandidatin zu erzeugen. Schlechte Darstellungen des Unternehmens und der Arbeitsinhalte und -bedingungen sowie schwierige Prozesse sind hier sehr hinderlich.
Unter dem Stichwort Employer Branding gibt es hier viele Ansätze, sich vom Markt abzuheben, um das Rennen um das beste Personal zu gewinnen.
Aber auch für die klassischen internen Prozesse im HR gibt es viele nützliche Werkzeuge der Digitalisierung. Vom Urlaubsantrag bis zur Reisekostenabrechnung reichen hier die Prozesse, die man digital besser abbilden kann als analog.
In dieser großen und teils unübersichtlichen Landschaft die Orientierung nicht zu verlieren, ist nicht einfach. Diese Beitragsreihe soll dabei helfen. In den Beiträgen des Themengebietes Digitalisierung und Digitalstrategie geht es genau darum. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Kundeninteraktion, weil kundenzentrierte Denkweise der Schlüssel zum Erfolg ist.